EIN KOMMENTAR VON HOLGER KOCH

Von Woche zu Woche häufen sich die Absagen, die früher Seltenheitswert besaßen. Am Grünen Tisch werden gefühlt immer mehr Spiele entschieden, weil Amateurmannschaften schlichtweg nicht mehr antreten. Bis in die Landesliga reicht inzwischen dieses Phänomen. Die Gründe? Offiziell ist es Personalmangel. Inoffiziell oft: keine Lust, keine Perspektive, keine Chance, aber auch taktische Spielchen. Also bleibt man lieber gleich ganz weg – als sich auf dem Platz eine Niederlage abzuholen.

Was für eine Bankrotterklärung.

Das Spielfeld wird zur Leerstelle, der Wettbewerb zur Farce. Und der Gegner? Bereitet sich vor, plant mit Zuschauereinnahmen, kauft Grillgut und Getränke ein, bezahlt Werbung, stellt Helfer auf – nur um kurzfristige zu erfahren, dass das Spiel schlichtweg nicht stattfindet. So behandelt man keinen Mitspieler im selben System. So zersetzt man eine Kultur.

Denn Fußball ist mehr als Tore und Tabellen. Fußball ist Verabredung, Verlässlichkeit, Fairness und Zusammenhalt – ein Kitt der Gesellschaft. Und all das wird mit jeder mutwilligen Absage ein Stück weiter ausgehöhlt. Es ist, als als ginge der gesellschaftliche Kompass verloren, der Respekt vor dem Gegner wäre dann nur noch Makulatur.

Natürlich: Viele Vereine kämpfen mit dem demografischen Wandel, mit übervollen Terminkalendern, mit bröckelnder Ehrenamtskultur. Aber Absagen dürfen nicht zur Normalität werden – und schon gar nicht zur Taktik. Wer sich Spiel für Spiel drückt, schadet nicht nur der Fußballgemeinde. Er nimmt auch dem eigenen Verein den letzten Rest Glaubwürdigkeit.

Die Verbände? Reagieren zu weich. Eine symbolische Geldstrafe, ein wenig Missbilligung – das reicht nicht. Es braucht klare Kante: Punkteabzüge für die nächste Saison. Härtere Sanktionen bis zur Schmerzgrenze. Wer den Wettbewerb verlässt, muss spüren, dass das Konsequenzen hat – für ihn selbst und für die Ligatreue als Ganzes. Respekt wird in unserer Gesellschaft immer wieder eingefordert. Im Fußball spielt er kaum eine wirkliche Rolle.

Und dennoch: Strafen allein sind keine Lösung. Der Fußball auf dem Land, in den Dörfern, in den kleinen Städten braucht Hilfe. Nachwuchsgewinnung, bessere Betreuung, mehr Flexibilität bei Spielansetzungen – und vor allem: Anerkennung. Denn wer sich heute noch ehrenamtlich engagiert, verdient mehr als nur stille Duldung sowie ab und zu eine Streicheleinheit. Das Ehrenamt muss zum gesellschaftlichen Heldentum erhoben werden. Und es muss belohnt werden. Nicht nur mit Ehrennadeln, sondern mit echten Vorteilen, seien sie steuerrechtlich oder monetär. Begreift das endlich!

Am Ende geht es um die Frage: Wollen wir Fußball noch als Gemeinschaft erleben – oder als jederzeit kündbares Abo? Wollen wir unsere Kinder noch Werte wie Fairplay, Respekt, Teamgeist, Toleranz und Disziplin lehren? Oder wie man sich am bequemsten aus Problemen heraus lanciert?

Wer den Sport liebt, der spielt. Auch wenn’s wehtut. Alles andere ist ein stiller Verrat.