Es lief die 73. Spielminute der packenden Pokalpartie zwischen dem Bezirksligisten JSG Schwarz- Gelb und dem Landesligisten Sparta Göttingen: Außenspieler Flo Corsmann, der normalerweise auch von der robustesten Abrissbirne nicht aus der Laufloipe gekickt werden kann, ging zu Boden und hielt sich den Oberschenkel. Thorsten Richter, gestern als linienrichtender Medizinkoffer- Träger im Dauereinnsatz, stellte zum wiederholten Male die Diagnose: „Krampf“. Damit musste eine Viertelstunde vor Abpfiff des wilden Pokalfights bereits der vierte Akteur seinem hohen Laufpensum Tribut zollen und sich mit verhärteter Muskulatur auf die Bank befördern lassen. Zu diesem Zeitpunkt führte unsere JSG bereits mit 2:0 und Sympathiekrämpfe machten sich unter den mitfiebernden Zuschauern breit. Als nach dem erlösenden Abpfiff Nolik Schmidt im Mannschaftskreis die hohe Krampfquote lobte und diese als Beleg für aufopferungsvollen Einsatz nahm, musste sich jeder Spieler entschuldigen, der sich nicht pflichtschuldig an den Oberschenkel fasste. 100% Power, 100% Wille, aber auch 100% Konzentration waren die ausschlaggebenden Faktoren für den Sieg des Außenseiters.

Von Daniel Vollbrecht (Bovender SV)

Das Pokalspiel hatte eine lange Vorgeschichte. Kurz nach der Auslosung, bei der die „zufällig“ unter den Tisch gefallene Kugel „Freilos“ durch die Kugel „Sparta Göttingen“ ersetzt wurde, brannten in der teaminternen WhatsApp-Gruppe wahre Jubelstürme los. „Geiles Spiel“ lautete die einhellige Meinung und es verging kein Tag, an dem nicht über Stärken und Schwächen des Gegners philosophiert wurde. Doch trotz so mancher Taktikstunde an der Tafel und auf dem Platz, bei dem wir die Verteidigung im 4-4-2 gegen das 4-2-3-1 einstudierten und für die eigene Offensive ein alternatives Spielsystem erprobten, lag die Wahrheit letztlich doch in der Einstellung jedes Einzelnen zum Spiel. Und diese war vorbildlich: plötzlich fuhren die Busse pünktlich, es gab keine spontanen Staus in Angerstein und auch die Geburtstage der Oma wurden in Absprache mit der Verwandtschaft verlegt: „Oma Du wirst am 23.08. 97 Jahre alt, nicht am 22.08. während des Spiels gegen Sparta.“ – „Ich hatte mein ganzes Leben lang am 22. Geburtstag.“ – „Jetzt nicht mehr, die Venus steht im Schatten des Jupiters und das Schaltjahr wird alle 40 Jahre auf einen Erdumdrehung addiert, wenn in den USA parallel die Sonnenfinsternis sichtbar ist. Du hast also am 23.“ – „OK, Lieblingsenkel.“

So kam es, dass tatsächlich alle Spieler des Kaders, mit Ausnahme des am Knie verletzten Lukas Vasile, im Kader standen und hoch motiviert einen Einsatz für sich reklamierten. Der Ausschreibung geschuldet blieben zwei Spieler auf der Strecke. Taktisch bedingt konnten wir Bastian Schmidt und Jannis Mengler nicht einwechseln, was diese jedoch vorbildlich im Stile eines Bezirksligapro?s verkrafteten und keine schlechte Laune schoben: „Ist zwar scheiße, aber Ihr habt es ja vorher gesagt“, resümierte Jannis Mengler ähnlich professionell wie bei einer zu erwartenden „5“ in der Mathearbeit („Ist zwar scheiße, aber ich habe es ja vorher gesagt.“). Auch Basti ertrug die Situation mit Fassung und darf deshalb an dieser Stelle Werbung für eine Schulparty machen, für die er noch Karten verkauft. Alle Interessentinnen und Interessenten melden sich schnellstmöglich bei Basti Schmidt – Prinzip: first come, first serve.

Trotz dieser Nebenschauplätze durften Trainer und Fans zu keiner Zeit den Blick vom Spielfeld abwenden. Quasi im Minutentakt protokollierte der Chronist spannende Szenen, Zweikämpfe und Torchancen. Das frühe 1:0 für den späteren Sieger entsprang einer Gemeinschaftsproduktion der Familie Kaplan. Mehedin stellte beim Steilpass von Flo Corsmann geschickt seinen wuchtigen Astralkörper zwischen Ball und Gegner, zog einen kaplanesken Sprint an, flankte den Ball mit dem schwächeren seiner drei starken Füße in die Mitte auf den mitgelaufenen Vedat Kaplan, der in dieser Situation zum Glück keinen Elfmeter schießen musste, sondern die Vorlage aus vollem Lauf versenkte.

Kurz darauf musste der bis dato überragende Mehedin mit einer Knieverletzung ausgewechselt werden. Doch während Mehedin noch den Kaplan-Kühlakku aufs Kaplan-Knie legte, erlief sich sein Vertreter Marek Gaugel im Stile eines übermotivierten REWE-Kassierers den Ball, legte ihn unbemerkt an Kasse 1 vorbei und konnte von Markt-Wart Daniel Klinge nur noch per Grätsche gestoppt werden. Über den folgenden Elfmeter verlieren wir kein weiteres Wort mehr, immerhin verschaffte Vedat den sich langweilenden Balljungen Arbeit.

Die Pausenansprache verfehlte ihre Wirkung nicht, zu Ehren Mehedins legten wir eine weitere Schippe drauf und kamen in Person Noliks zum 2:0. Er spekulierte auf einen Lapsus der gegnerischen Defensive, erlief sich den Ball und vollendete cool ins lange Eck, bevor er seine dicken Arme jubelnd nach oben reißen konnte. Zitat eines anwesenden Zuschauers: „Wer ist denn dieses Kraftpaket da vorne?“ Meine Antwort „Mohammed Harir“ ließ den Fragesteller etwas verdutzt zurück, verdeutlichte aber, dass gestern spielen konnte wer wollte, einen Leistungsabfall gab es in keiner Phase des Spiels zu bemerken.

Sparta, das fair spielte und nach Abpfiff nicht weniger fair gratulierte, hatte noch zwei gefährliche Torchancen, doch das Glück sowie Max Müller waren uns hold. Max hatte tags zuvor beim Torwarttraining noch extra schlecht aufs Tor geschossene Bälle entschärfen müssen, so dass er auf alle Eventualitäten vorbereitet war und in vorletzter Minute im Eins gegen Eins den Körper geschickt vergrößerte. „ZU NULL“ bedeutete nicht nur das Erreichen der nächsten Runde, sondern die obligatorische Trainerkiste sowie einen beherzten Derbysieger-Tanz, den selbst der lädierte Mehedin unter Aufbietung letzter Kraftreserven unfallfrei über die Bühne brachte. Nicht ganz so elegant wie auf Familienfeiern der Kaplans, aber durchaus vorzeigbar… wie übrigens das komplette Spiel, für das wir viel Lob einheimsten.

Wir sind stolz auf die Mannschaft und freuen uns auf Runde 3.

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