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KOMMENTAR VON HOLGER KOCH
Inmitten von „Meetings“, „Updates“, „Deals“ und „Deadlines“ verlieren wir etwas, das uns einst Identität, Tiefe und Ausdruck verlieh: unsere Sprache. Die deutsche Zunge, gefeiert für ihre Präzision, ihre Vielfalt und ihre Wucht, wird heute überrollt – nicht von fremden Panzern, sondern von fremden Begriffen, eingeschleust durch Bequemlichkeit, Unsicherheit und modisches Imponiergehabe.
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Wo früher eine schlichte Besprechung genügte, braucht es heute ein „Meeting“. Der Plan wird zum „Masterplan“, das Fest zur „Party“, der Hinweis zum „Reminder“, die Leistung zur „Performance“, die Kraft zur „Power“, die Musik zu „Music“, die Wiedereröffnung zum „Reopening“ der Spieltag zum „Match Day“, der Tanz zum „Dance“ und die Kinder natürlich zu „Kids“. Das alles ohne Not. Und dabei, so der Satiriker Max Goldt, „reden die Leute von Brainstormings und Feedbacks, weil sie denken, das klinge wie Champagner. Dabei ist es meistens nur Blubberwasser.“
Was bleibt übrig von der Sprache Goethes, wenn wir sie stückweise durch englische Floskeln ersetzen? Nichts als ein Sprachfrankenstein – ein zusammengeschustertes Etwas, dem die Seele fehlt.
„Es ist nicht das Englische an sich, das mir Sorgen bereitet“, warnt Bastian Sick, der wortgewandte Chronist sprachlicher Abwege vom Spiegel, „sondern das Deutsche, das immer mehr dabei auf der Strecke bleibt.“
Auch Wolf Schneider, der große Stilpapst unserer Sprache, fand klare Worte:
„Anglizismen sind wie Ketchup – sie überdecken jedes Gericht, aber verbessern keins.“ Und er ergänzt: „Wer Deutsch nicht liebt, soll’s nicht misshandeln. Wer’s spricht, soll’s ehren.“
Dabei ist es nicht die Öffnung gegenüber Fremdem, die gefährlich ist – sondern die Selbstverleugnung im Namen der Weltgewandtheit. Der Sprachwissenschaftler Peter von Polenz bringt es auf den Punkt:
„Die gefährlichsten Anglizismen sind nicht die, die wir verstehen – sondern die, die wir nur zu verstehen glauben.“
Noch schärfer formuliert es Kabarettist Dieter Hallervorden:
„Ich habe nichts gegen Englisch – ich habe nur etwas gegen Deutschverweigerung.“
Und inmitten all dieser Mahnungen klingt Victor Klemperers Warnung aus dunkleren Zeiten nach:
„Sprache offenbart das Denken. Wer seine Sprache preisgibt, gibt auch seine Denkweise preis.“
Wir stehen nicht vor einer Sprachrevolution, sondern vor einer stillen Auslöschung durch Nachlässigkeit. Die Sprache wird nicht verdrängt – sie wird verdünnt, bis sie keinen Geschmack mehr hat. Das ist kein Fortschritt – das ist ein Verlust an Ausdruckskraft.
Deutsch war einst die Sprache der Dichter, Denker und Träumer. Ein Werkzeug von solcher Feinheit, dass es das Innerste nach außen kehren konnte. Die Schriftstellerin Elke Heidenreich sagte einmal:
„Deutsch ist eine Sprache, die alles kann – sie kann kühl sein wie ein Gerichtssaal oder zärtlich wie ein Liebesgedicht. Wer glaubt, dafür ständig englische Krücken zu brauchen, hat sie nie wirklich gekannt.“
Es ist höchste Zeit, die deutsche Sprache nicht länger zu vermarkten wie ein Produkt, sondern zu behandeln wie das, was sie ist: ein kulturelles Erbe von unermesslichem Wert. Ein Erbe, das gepflegt, verteidigt und – vor allem – gesprochen werden will.
Titelfoto: KI-generiert
