PRESSEMITTEILUNG DES NFV

Trotz Super-Taifun „Ragasa“: Deutsche Veteranenfußballer fliegen heute Mittag zur WM nach Japan – Ede Wolf: Sieben Monate nach seinem Schlaganfall geht der ehemalige Zweitligastürmer in der Ü 75-Konkurrenz auf Torejagd

Nein, in Panik hat „Ragasa“ ihn nicht versetzt. Dafür ist Günter Christmann zu gewieft in der Organisation und, wie er sich gerne selbst charakterisiert, zu rustikal vom Naturell. Aber reichlich auf Trab gehalten hat ihn der sogenannte Super-Taifun, der nach den Philippinen und Taiwan in den vergangenen Tagen auf Südchina zusteuerte, schon. Eigentlich sollte am heutigen Donnerstag eine aus 57 Personen bestehende Delegation gemeinsam aus Frankfurt den Flug nach Tokio antreten, wo vom 1. bis 3. Oktober die Fußball-Welttitelkämpfe der Veteranen stattfinden. Als Zwischenstopp war Hongkong vorgesehen, dessen Flughafen ein wichtiges Drehkreuz für Flüge nach Asien ist. Doch „Ragasa“ machte ihnen einen Strich durch die Rechnung.

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„Am Montag habe ich eine Vorwarnung bekommen, ehe mir am Dienstagmittag mitgeteilt wurde: Alles gecancelt“, berichtet Christmann, der aber die Ruhe behielt und über ein Reiseunternehmen in Japan erfolgreich umbuchte. „Dabei hatten die am Dienstag Feiertag. Doch meine Gesprächspartnerin war sehr hilfsbereit, so dass wir das hingekriegt haben.“

Ede Wolf: Erfolgreicher als Schatzschneider und Mill

Statt gemeinsam fliegen die Fußball-Oldies nun heute in drei Gruppen. Um 12.15 Uhr hebt die erste Maschine mit Zwischenstopp in Singapur nach Tokio ab. Die weiteren Flüge starten um 13.55 Uhr (über Vietnam) und 14.05 Uhr (über China). An Bord ist auch Klaus-Jürgen Wolf. Ab Mitte der 1970er Jahre zählte der Mann, den alle „Ede“ nennen, für nahezu ein Jahrzehnt zu den besten deutschen Zweitligastürmern. In 265 Spielen der 2. Bundesliga Nord erzielte er stolze 106 Treffer. Damit liegt Wolf in der ewigen Torschützenliste dieser Spielklasse auf Platz drei – vor so renommierten Sturmkollegen wie Dieter Schatzschneider oder Frank Mill.
Die Ausbeute von Wolf ist umso bemerkenswerter, da er erst mit 26 Jahren aus der Bezirksliga von seinem Heimatverein Ellershausen zu den damals zweitklassigen 05ern aus dem benachbarten Göttingen wechselte. Und: Im Gegensatz zu allen anderen Top Ten-Torjägern der 2. Liga Nord stürmte Wolf nicht in der Mitte, sondern Außen. Und imponierte auf all seinen Stationen – nach Göttingen waren dies Preußen Münster, die Sockers im kalifornischen San Diego, Westfalia Herne, Rot-Weiß Lüdenscheid, Rot-Weiß Oberhausen sowie Union Solingen – mit Schnelligkeit und Abschlussstärke.

Mit 34 Jahren beendete Wolf in der Saison 1982 seine Profikarriere, blieb dem runden Leder aber in seiner Freizeit treu („Fußball war immer mein Leben“). Erst wenige Wochen vor seinem 74. Geburtstag hängte er die Töppen endgültig an den berühmten Nagel. In seinem Abschiedsspiel traf er im Mai 2022 mit der Traditionsmannschaft von Göttingen 05 auf die von Hannover 96. Dass die Partie im Göttinger Maschpark nicht den endgültigen Schlussstrich bedeutete, lag nicht zuletzt an Günter Christmann. Auf der Suche nach geeigneten Spielern für das Turnier in Japan schrieb er auch Göttingen 05 an. Die Schwarz-Gelben schlugen daraufhin ihren einstigen Starstürmer vor.
Die Aussicht, in seinem Alter eine WM zu spielen, ließ Wolf umdenken, so dass es zum Comeback kam. Er nahm die Einladung zu einem Probetraining an, das im emsländischen Papenburg stattfand und bei dem er überzeugte. Gegen eine Paderborner Stadtauswahl feierte er sein Debüt, ehe im Juli seine „Länderspielpremiere“ in Jeddeloh gegen England folgte – natürlich mit einem Treffer.

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„Vom Krankenbett direkt in die Nationalelf“, umschreibt er selbst seinen Werdegang der letzten Wochen und Monate. Denn Mitte Februar erlitt er einen Schlaganfall. „Den habe ich zum Glück ganz gut überstanden. Ich habe ein bisschen Probleme beim Essen mit der Koordination von Messer und Gabel, aber sonst ist nichts übrig geblieben“, sagt Wolf.

Spieler müssen alle Kosten selbst tragen

Das Turnier im Komazawa Olympic Park heißt offiziell „World Soccer Festa 70Plus“ und ist ein Wettbewerb für aktive Veteranen in den Altersbereichen Ü 70, Ü 75 und Ü 80. Es ist keine Veranstaltung des Weltfußballverbandes FIFA, sondern eine private Initiative, die 2017 durch drei fußballbegeisterte Oldies aus den USA, Japan und Dänemark entstanden ist und bei der Premiere mit vier Teams über die Bühne ging. Anschließend nahm das Interesse an dem jährlich ausgetragenen Turnier stetig zu, so dass 2024 im walisischen Cardiff bereits 28 Mannschaften aus aller Welt teilnahmen.
Bei der diesjährigen Auflage werden es 26 aus sieben Nationen sein. Zwölf Teams im Altersbereich Ü 70, zehn in der Ü 75-Konkurrenz und vier bei den Ü 80-Senioren. Deutschland ist bei den Ü 70- und Ü 75-Senioren am Start. Die meisten Mannschaften stellen die USA und Gastgeber Japan.
„Die Organisation und Ausrichtung der WM sowie die Finanzierung der teilnehmenden Mannschaften liegt ausschließlich in privaten Händen“, sagt Christmann. Das heißt: Die Spieler müssen ihre Kosten und die ihrer Begleitung selber tragen. Hierzu gehören Hin- und Rückflug, Hotel, Verpflegung, Meldegebühren oder Transporte. Dadurch kommt eine Summe zusammen, die für Rentner nicht einfach aus dem Ärmel zu schütteln ist. Deshalb wurde im Raum Göttingen für Ede Wolf eine Spendenaktion ins Leben gerufen.

„Dabei sind sage und schreibe 2.300 Euro zusammengekommen. Hierfür kann ich mich bei allen Unterstützern nur von Herzen bedanken“, sagt Wolf, der von seiner Frau Marianne begleitet wird und mir ihr nach dem Turnier noch eine Woche im Land der aufgehenden Sonne verweilen wird. „Dadurch kostet uns die gesamte Japanreise 3.300 Euro.“

Teams laufen im originalen DFB-Dress auf

Offizielle DFB-Teams sind die Mannschaften der Trainer Marek Wanik (Ü 75) und Udo Zimmermann (Ü 70) nicht. Dennoch erfahren sie auch vom Deutschen Fußball-Bund tatkräftige Unterstützung. Bei den Trikots, Hosen und Stutzen handelt es sich um den Originaldress, in dem das Team von Bundestrainer Julian Nagelmann bei der Heim-EM im vergangenen Jahr auflief. Hinzu kommen weitere Kleidungsstücke wie T-, Polo- oder Sweatshirts – alle im Nationalelf-Design.
Vermittelt hat die Ausrüstung der in Garrel (NFV-Kreis Cloppenburg) lebende ehemalige DFB-Vizepräsident Eugen Gehlenborg, der im vergangenen Jahr bei der WM in Wales noch selbst im Ü 75-Team am Ball war. Er sagt: „Angesichts der aktuellen Berichte über die zunehmende ‚Bewegungsarmut‘ in unserer Gesellschaft sind Turniere wie das jetzt bevorstehende in Japan ein wichtiger Nachweis, dass der Volkssport Fußball keine Altersgrenze kennt. Im Gegensatz zu der bisherigen Auffassung bzw. Praxis, dass mit dem Ü 60-Wettbewerb das Ende der Fußball-Alterslaufbahn erreicht ist, belegt die internationale Entwicklung, dass es sehr wohl ein Fußballerleben danach gibt.“ In diesem Zusammenhang verweist Gehlenborg auf die von ihm begleitete 3 F-Studie (Fit und Fun mit Fußball), an der Hypertonie- und Infarktpatienten teilnahmen. „Es konnte nachgewiesen werden, dass sich durch den alters- und zielgruppengerechten Fußball therapeutische Effekte erzielen lassen.“
Günter Christmann pflichtet Gehlenborg bei. „Was soll der Blick auf das Lebensalter? Auf die Einstellung kommt es an. Nicht die Jahre zählen, sondern schließlich das, was man daraus macht.“ Wie bereits vergangenes Jahr in Wales wird der Mann aus Rastede (Jade-Weser-Hunte-Kreis), Jahrgang 1946, auch in Japan im Ü 75-Team auflaufen. Bei ihm laufen im wahrsten Sinne des Wortes alle Fäden zusammen. Denn Christmann ist zum einen Cheforganisator der Reise und darüber hinaus Verantwortlicher für die Kaderzusammenstellung der beiden Teams. Bereits im Oktober 2024, unmittelbar nach Öffnung des Anmeldefensters, nahm er die Buchung für das Turnier in Japan vor. „Danach bin ich erst einmal losgegangen und habe Spieler gesucht.“ Denn gerade im Ü 70-Bereich standen „von der alten Truppe“ kaum noch Aktive zur Verfügung. Mal war es der weite Flug, den viele nicht mehr auf sich nehmen wollten, mal gab die Leistungsfähigkeit den Ausschlag. Also fragte Christmann Verbände und Vereine nach geeigneten Kandidaten und tingelte über die Dörfer, wo er auf Turnieren die Leute ansprach. „Ich bin hausieren gegangen wie ein Vertreter.“

Sein Revier wurde dabei immer größer. Dies führte dazu, dass die German Veterans, so bezeichnen sie sich selbst, ihre regionale Identität verändert haben. Weil die meisten Spieler aus diesem Landstrich kamen, traten beide Ü-Mannschaften noch 2022 beim World Cup im dänischen Roskilde unter dem Namen „Ostfriesland-Auswahl“ an. 2024 in Wales liefen sie zwar erstmals als „Team Deutschland“ auf, präsentierten sich neben dem Platz aber in eigens hierfür angefertigten Polo-Shirts mit Ostfriesland-Wappen. Neben Ostfriesen streiften Emsländer, Oldenburger und Ammerländer sowie Hannoveraner und Osnabrücker das German Veterans-Trikot über. Inzwischen hat sich das Gesicht beider Teams geändert. Spieler aus Westfalen, Württemberg, Hessen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern sind dazu gekommen. Von den 22 Spielern des Ü 70-Aufgebotes für Japan kommen nur noch neun aus niedersächsischen Vereinen. Und mit Reinhard Sicher (SP Hannover 23), Johannes Krawczyk (Sparta Werlte) und August Wichmann (SV Eintracht Neuenkirchen) sind nur noch drei Spieler aus dem letztjährigen Kader für die WM in Wales dabei.
Bei den Ü 75ern gehören elf der 16 Spieler einem NFV-Verein an. Fünf von ihnen nahmen bereits in Wales teil. Dies sind Reimer de Buhr (Vorwärts Augustfehn), Günter Christmann (FC Rastede), Erhard Detels (TuS Engter), Heino Lange (VfL Bad Zwischenahn) und Hans Poelmann (Blau-Weiß Papenburg). Zudem Betreuer Emke Emken (TuS Esens) – wenn man so will, der einzig verbliebene Ostfriese.

Hohe Belastung für die Veteranen: Zwei Spiele an einem Tag

Der Startschuss für Japan fiel am 23. April. Seitdem trafen sich die Spieler beider Aufgebote alle drei Wochen zum gemeinsamen Training in Engter, Papenburg oder Bad Zwischenahn. Testspiele, die Länderspiele gegen England in Jeddeloh sowie ein zweitätiges Trainingslager in der NFV-Akademie Barsinghausen rundeten das Vorbereitungsprogramm ab. Und natürlich trainierte auch jeder Spieler individuell. Ü 70-Spieler Siegfried Schüler aus Hessen engagierte zum Beispiel extra einen Personaltrainer, „um mich in Spritzigkeit, Kraft und Ausdauer sowie für die Belastung des Turniermodus vorzubereiten.“
Denn das Turnier im Fernen Osten wird stressig. Zweimal am Tag wird gespielt, jeweils zweimal 30 Minuten mit einer fünfminütigen Halbzeitpause. Ein enormes Pensum, bei dem Eigen Gehlenborg bei der letztjährigen Auflage in Wales innerhalb weniger Tage sieben Kilo verlor. Die Ü 70-Konkurrenz spielt 11-gegen-11 auf normalen FIFA-Feldern (ca. 68 x 105 Meter) auf Standardtore. Die Spielfläche im Altersbereich Ü 75 ist in der Länge halb so groß, die Tore sind Juniortore (4,9 mal 2,1 Meter). Hier besteht jeder Mannschaft aus acht Spielern.
Die Zielsetzung? „Wir wollen sowohl bei der Ü 70 als auch bei der Ü 75 um den Weltmeistertitel mitspielen“, sagt Günter Christmann. Und Marek Wanik, der am Tag nach den beiden Endspielen 67 Jahre alt wird, ergänzt: „Beim Rückflug sollen die Leute im Flieger merken, dass wir etwas gewonnen haben.“

Die Aufgebote


Ü 70: Lothar Blecher, Heinz Emrich (beide TSV Siegen, Fußball- und Leichtathletikverband Westfalen, kurz FLVW), Herberto Bremer (FC Ohmstede, NFV-Kreis Jade-Weser-Hunte), Norbert Dölitzsch (TSC Steinheim, FLVW), Bernd Hannes (RS 19 Waldbröl, FLVW), Ulrich Kämmerling (TSF Gschwend, Württembergischer Fußballverband), Manfred Keil (VFC Anklam, Landesfußballverband Mecklenburg-Vorpommern), Jürgen Kohlschmidt (Hannover 96), Johannes Krawczyk (Sparta Werlte, NFV-Kreis Emsland), Manfred Lesting (SC Spelle-Venhaus, NFV-Kreis Emsland), Richard Lizier (SG Oberhausen/Fußballverband Niederrhein), Wolfgang Lühr (SG Heidetal/Ilmenau), Willi Oldemanns (SV Marka Ellerbrock, NFV-Kreis Cloppenburg), Siegfried Schüler (SG Asbach, Hessischer Fußball-Verband), Reinhard Sicher (SP Hannover 23, NFV-Kreis Region Hannover), Peter Siebert (FC Aggertal, Fußball-Verband Mittelrhein), Hans-Jürgen Siegmund (VfB Salzkotten, FLVW), Heinz Warning (SV Viktoria 08 Georgsmarienhütte, NFV-Kreis Osnabrück), August Wichmann (SV Eintracht Neuenkirchen, NFV-Kreis Osnabrück), Roland Willmann (Arminia Bielefeld, FLVW), Hans-Otto Zettier (SC Oschersleben, Fußballverband Sachsen-Anhalt), Udo Zimmermann (SC 1948 Astheim, Hessischer Fußball-Verband).
Spielertrainer: Udo Zimmermann. Betreuer: Jürgen Pellenwessel (RW Damme, NFV Kreis Vechta), Friedemann Petzke (ETG Recklinghausen, FLVW)

Ü 75: Hermann Jungsthöfel, Paul Kanschat, Hans Poelmann (alle Blau-Weiß Papenburg, NFV-Kreis Emsland), Mladen Kranjcina, Bernd Troschitz (beide SG Heidetal/Ilmenau), Detlef Joop, Rudolf Meyer (beide Erler SV 08, Fußball- und Leichtathletikverband Westfalen, kurz FLVW), Reimer de Buhr (TuS Vorwärts Augustfehn, NFV-Kreis Jade-Weser-Hunte), Günter Christmann (FC Rastede, NFV-Kreis Jade-Weser-Hunte), Erhard Detels (TuS Engter, NFV-Kreis Osnabrück), Heinz-Peter Freund (TSV Siegen, FLVW), Heino Lange (VfL Bad Zwischenahn), Eckhard Wessel (SV Viktoria 08 Georgsmarienhütte, NFV-Kreis Osnabrück), Klaus-Jürgen „Ede“ Wolf (Göttingen 05, NFV-Kreis Göttingen), Günter Zaborowski (FC Marl, FLVW), Roland Zahn (TSV Hadmersleben, Fußball-Verband Sachsen-Anhalt).
Trainer: Marek Wanik (Wallenhorst, NFV-Kreis Osnabrück). Betreuer: Emke Emken (Esens, NFV-Kreis Ostfriesland), Minomara Yoichi (Düsseldorf).
Fettdruck = Spieler aus einem niedersächsischen Verein

Die teilnehmenden Mannschaften

Ü 70: CT United, NC United, Freddy Fund, Sacramento Turn Verein (alle USA), Kizuna, Komazawa United, Westjapan (alle Japan), Australien, England, German Veterans (Deutschland), Taiwan, Wales.

Ü 75: Kizuna, Tokio, Westjapan (alle Japan), Golden State Azzurris, NC United (beide USA), Australien, England, German Veterans (Deutschland), Taiwan, Wales.

Ü 80: Japan, Europa, Amerika, Pan Pacific-Auswahl.