Fortaleza. Wo soll ich diesmal anfangen? Es ist schon wieder so vieles passiert, was ich den Menschen zu Hause einfach nicht vorenthalten kann. Zum einen hat Brasilien wieder ein 90 minütiges Volksfest zelebriert, welches seiner gleichen sucht und perfekt als Aufhänger geeignet ist um die gegenwärtige Stimmung in diesem Land einmal treffend zu beschreiben. Zum anderen haben wir die Ehre bei einer der Überraschungen des Turniers live dabei zu sein: Griechenland zieht als Zweiter der Gruppe B gloreich mit 4 Punkten, zwei geschossenen Toren und einer überragenden Tordifferenz von -2 ins Achtelfinale gegen Costa Rica ein. Otto Rehagel wäre wahrlich stolz auf seine Griechen!

Als diese sich noch mental auf ihren sensationellen Triumpf vorbereiten, feiern die Brasilianer, nicht unweit vom Teamhotel der Griechen, zunächst mal das dritte Volksfest in den letzten 11 Tagen. Haben wir das erste Spiel noch zu Hause in Deutschland und das zweite Spiel gemütlich mit unseren Freunden in Salvador geguckt, geht es diesmal auf eines der so oft kritisierten Fanfeste.

Entgegen aller Erwartungen meinerseits ist es jedoch überraschend gut. Negative Stimmung ist so gut wie gar nicht zu vernehmen, die lokalen und privaten Bierverkäufer am Rande des Festes verbuchen Rekordgewinne und die sogenannte FIFA hält sich mit all seinen Beschränkungen diesmal angenehm zurück.

Nun bleibt natürlich offen, inwiefern dies von Stadt zu Stadt unterschiedlich ist und ob außerhalb der gut bewachten Festplätze nicht doch negative Stimmen zu vernehmen sind. Doch eines scheint sicher: Es verfestigt sich hier in den letzte Tagen immer mehr ein Bild von einer überwiegend positiven Stimmung, die insbesondere durch die Seleção hervorgerufen wird. So tanzen auch wir nach dem Spiel mit einem Sambazug 30 Minuten durch die Stadt und feiern ekstasisch das Weiterkommen der brasilianischen Mannschaft. Dabei spielt das Alter, die Nationalität oder das Einkommen keine Rolle.

Dieses Stimmungsbild zeigt sich in der Stadt, beim Einkaufen, ja sogar in TV-Werbespots, in denen Kleinkinder perfekt inszeniert in Brasilientrikots die Nationalhymne singen und dabei ein Wir-Gefühl erzeugen, welches selbst für uns Deutsche beeindruckend ist. Auch auf dem Weg zum Stadion durch die ärmeren Viertel der Stadt hängt an gefühlt jedem zweiten Haus mindestens eine Brasilienfahne. Dies ist insofern bemerkenswert, da man doch eigentlich annimmt, dass gerade jene Brasilianer, die nicht wirklich vom wirtschaftlichen Boom Brasiliens profitieren, ihrem Land den Rücken kehren.
Überwältigt von den Emotionen des letzten Tages kommt es schließlich zum absoluten Höhepunkt unserer Reise. Die Elfenbeinküste trifft auf die inzwischen als Titelfavorit gehandelten Griechen. Ein Spiel, das anfangs eher zum Einschlafen animiert, übertrifft am Ende jedoch alle Erwartungen und avanciert zu einem herausragenden Stadionerlebnis. Denn als das Spiel seinen vermeintlichen Sieger auserkoren hat, gewinnt Griechenland am Ende doch noch durch einen Strafstoß in der Nachspielzeit mit 2:1. Fußballherz, was willst du mehr?! Am Rande sei noch gesagt, dass auch die Griechen ihre Fahnen abnehmen müssen. Schade eigentlich, denn es hätte der erste Tag werden können, an dem die FIFA einmal nicht negativ auffällt.

Am Ende waren es dennoch 4 aufregende und beeindruckende Tage in Fortaleza. Als nächstes steht jetzt das Spiel der Deutschen in Recife gegen die USA an. Dabei wird in der nächsten Ausgabe dieser Kolumne insbesondere auf das Ansehen der deutschen Mannschaft hier in Brasilien eingegangen. Und so viel sei verraten: Deutschland spielt im Halbfinale gegen Brasilien. Ausgang hingegen offen…
Das Castelão während des Sonnenuntergangs.