Nach nur 82 Minuten war alles entschieden: Auf einem virtuell durchgeführten außerordentlichen Verbandstag des Niedersächsischen Fußballverbandes (NFV) haben sich die 324 stimmberechtigten Delegierten heute Vormittag mit deutlicher Mehrheit für einen Abbruch der Saison 2019/2020 ausgesprochen. 

Von 291 abgegebenen Stimmen entfielen 265 (91,1 Prozent) auf den Antrag, den der NFV-Verbandsvorstand zum außerordentlichen Verbandstag eingereicht hatte. 3 Delegierte enthielten sich, 23 stimmten dagegen. Der NFV-Antrag sieht einen Saisonabbruch nach Quotientenregelung mit Auf- (Regelaufsteiger und Relegationsplatz) aber ohne Abstieg vor. Gewertet werden die Tabellenstände vom 12. März 2020; dem Tag, als die Saison 2019/20 vom NFV-Verbandsvorstand zunächst bis zum 23. März, dann bis zum 19. April und schließlich bis auf Weiteres unterbrochen wurde.
In Kurzform dargestellt bedeutet die Annahme des NFV-Antrages für den Umgang mit dem Spieljahr 19/20, dass die Saison 19/20 nicht zu Ende gespielt und alle ausstehenden Pflichtspiele – mit Ausnahme der Pokalspiele – abgesetzt werden.
Die zu dem NFV-Antrag gestellten Ergänzungs- oder Abänderungsanträge fanden indes nicht die erforderliche Mehrheit.
Zum 51. Mal seit der Geburtsstunde des Niedersächsischen Fußballverbandes am 16. August 1946 waren die Delegierten heute gefordert, eine wichtige Weichenstellung für den Fußball in Niedersachsen vorzunehmen. Nach zuvor 45 ordentlichen und fünf außerordentlichen Hauptversammlungen zwang die Corona-Pandemie den NFV jetzt dazu, auf einem außerordentlichen Verbandstag mit seinen Delegierten über einen Umgang mit der unterbrochenen Spielzeit 2019/20 zu entscheiden. Die Premiere: Erstmals versammelte sich der Verbandstag im virtuellen Raum. Während das Präsidium und die Direktoren des NFV unter Wahrung des Mindestabstandes im Peppermint Pavillon des hannoverschen Expo Parks zusammengekommen waren, versammelten sich alle übrigen Teilnehmer der Videokonferenz auf der Plattform Webex. Die Stimmabgabe der Delegierten erfolgte über das Online-Voting Tool teambits. Durch den virtuellen Verbandstag führte gekonnt und mit viel sprachlicher Finesse Moderator Andreas Wurm.
NFV-Präsident Günter Distelrath stellte in seiner Begrüßung noch einmal heraus,
„dass wir in einer noch nie dagewesenen Ausnahmesituation alle gemeinsam
überlegen mussten, wie wir zu belastbaren und nach Möglichkeit nicht angreifbaren
Ergebnissen im Umgang mit der Saison 2019/20 kommen, die den Vereinen zugleich
eine gewisse Planungssicherheit bietet. Und dies vor dem Hintergrund, dass natürlich
die politischen und behördlichen Anordnungen jederzeit zu beachten sind.“ Dass es
keine allumfassende Patenlösung gebe, die alle Vereine jubeln lässt, sei allen klar
gewesen. Die zurückliegende Zeit bezeichnete er als „einen Weg, der mit unzähligen
Herausforderungen gepflastert war und allen, die sich im und für den Fußball
engagieren, viel abverlangt hat.“
NFV-Justiziar Steffen Heyerhorst erläuterte die Reihenfolge der insgesamt elf Anträge
(Inter Celle 07 hatte seinen Antrag am 23. Juni zurückgezogen) zum Umgang mit dem
unterbrochenen Spieljahr 2019/20. „Gemäß Paragraph 4 der Geschäftsordnung des
Niedersächsischen Fußballverbandes ist für den Fall, dass mehrere Anträge zu einem
Tagungsordnungspunkt vorliegen, zunächst über den weitestgehendsten Antrag zu
entscheiden. Der weitestgehendste Antrag ist der Antrag, bei dessen Annahme im
Vergleich zu den weiteren gestellten Anträgen die größte Veränderung vom bisherigen
Ist-Zustand eintritt, also die größte Abweichung vom geltenden Satzungs-, Ordnungsund
Ausschreibungsrecht.“
Unter den eingereichten Anträgen traf dies auf den Antrag des FC Dynamo Lüneburg
zu, der eine Annullierung des Spieljahres 2019/20 beinhaltete. Mit 275 Stimmen (94,8
Prozent) sprachen sich die Delegierten eindeutig gegen eine Annullierung aus.
Als nächstes folgte der NFV-Antrag. Nach dessen Annahme standen insgesamt fünf
Ergänzungs- bzw. Änderungsanträge nebst Hilfsantrag zur Abstimmung. Dabei kam
es zu folgenden Ergebnissen:
– Neben dem jeweiligen Regelaufsteiger steigt in den jeweiligen Klassen auch der
aktuelle Tabellenzweite auf. Antragsteller: VfB Rot-Weiß 04 Braunschweig, SV
Wilhelmshaven. Abstimmung: 227 Nein-Stimmen, 34 Ja-Stimmen, 29 Enthaltungen.
– Sollte der nach der Quotientenregelung ermittelte Aufsteiger nicht identisch mit dem
Tabellenersten nach der Hinrunde sein, so steigt auch der Tabellenerste der Hinrunde
mit auf. Dieser wird ebenfalls nach der Quotientenregelung ermittelt. Antragsteller:
MTV Treubund Lüneburg. Abstimmung: 247 Nein-Stimmen, 30 Ja-Stimmen, 13
Enthaltungen.
Hinrundentabelle soll per Quotientenregelung über Auf- und Abstiege entscheiden.
Antragsteller: SSV Kästorf. Abstimmung: 234 Nein-Stimmen, 20 Ja-Stimmen, 38
Enthaltungen.
– Der Zweitplatzierte der Bezirksliga Weser-Ems 2 nach Quotientenregelung steigt auf.
Hilfsantrag des SV Wilhelmshaven. Abstimmung: 250 Nein-Stimmen, 17 Ja-Stimmen,
24 Enthaltungen.
Als abschließender Antrag wurde über einen Ermächtigungsantrag abgestimmt, der
vom NFV-Vorstand eingereicht worden war und für dessen Annahme eine Dreiviertel-
Mehrheit erforderlich war. Gemäß Antrag wird der NFV-Vorstand ermächtigt,
erforderliche Änderungen der Satzung und Ordnung im Zusammenhang mit oder aus
Anlass der Covid-19-Pandemie soweit erforderlich endgültig zu beschließen. Der
grundsätzlich bestehende Genehmigungsvorbehalt durch den Verbandstag entfällt in
diesem Zusammenhang und in diesem Zeitraum. 248 Delegierte und somit 85,5
Prozent befürworteten diesen Antrag bei 24 Enthaltungen und 18 Gegenstimmen.
Vor den Abstimmungen hatte Heyerhorst darauf hingewiesen, dass bei Annahme
eines der vier Grundanträge (Annullierung; Abbruch des Spieljahres mit Auf-, aber
ohne Abstieg; Abbruch des Spieljahres mit Auf- und Abstieg; Fortsetzung des
Spieljahres), die Abstimmung zu den weiteren Grundanträgen entfallen. Deshalb
wurden die Anträge von Germania Parsau (die ersten und die letzten vier Teams
ermitteln mit Final-Four-Turnieren auf neutralem Platz Auf- und Absteiger), TuS Berge
(Saisonabbruch nach Quotientenregelung mit Auf- und Abstieg) sowie Nienstädt 09,
TuS Sulingen und Kickers Vahrenheide (alle Fortsetzung des Spieljahres) nicht mehr
behandelt.
Nach der nunmehr erzielten Klarheit zur Saison 2019/20 richtet sich der Blick nach
vorne. Die Fragen aller Fragen, wann wieder unter normalen Bedingungen Fußball
gespielt werden kann, konnte beim außerordentlichen Verbandstag natürlich noch
niemand beantworten. Günter Distelrath verbreitete verhaltenen Optimismus: „Ich bin
wirklich guten Mutes, dass die Monate der Ungewissheit bald enden werden und wir
Fußball nicht nur im Training, sondern auch wieder unter Wettkampfbedingungen
spielen können.“ Zudem sprach er sich für eine neue Bewertung der Situation aus: „Im
Interesse des Gesundheitsschutzes war es zur Hochphase der Pandemie absolut
richtig, den Trainings- und Spielbetrieb zu untersagen. Vor dem Hintergrund sinkender
Infektionszahlen und neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse sollte die Situation aber
jetzt für den Amateur- und Jugendfußball sowie den Breitensport insgesamt neuerlich
geprüft werden.“
In diesem Zusammenhang verwies der NFV-Präsident auf Studien aus den
Niederlanden und der Schweiz, die belegen, dass beim Fußballspielen im Freien eine
Übertragung des Coronavirus relativ unwahrscheinlich sei. Unterfüttert würden diese
Aussagen durch Erhebungen zur Kontakthäufigkeit bei einem Fußballspiel unter
freiem Himmel. Distelrath: „Untersuchungen weisen darauf hin, dass Fußball, anders
als Boxen oder Ringen zum Beispiel, keine Kontaktsportart im Sinne langanhaltender,
statischer Ganzkörperkontakte mit hohem Infektionsrisiko ist. Vielmehr ist Fußball eine
Sportart mit Kontakt über wenige Sekunden mit geringer Kontaktfläche. Vor diesem
Hintergrund scheint es vertretbar, die Einschränkungen des Fußballspielens im Freien
komplett aufzuheben.“
Doch nicht nur wissenschaftliche Expertisen, sondern auch das eigene Verhalten
könne dabei helfen, dass in Niedersachsen bald wieder Fußball unter
Wettkampbedingungen gespielt werden kann. Deshalb warb der NFV-Präsident für die
vor Kurzem von der Bundesregierung vorgestellte Corona-Warn-App: „Durch die
Corona Warn App können wir feststellen, ob wir in Kontakt mit einer infizierten Person
geraten sind und daraus ein Ansteckungsrisiko entstehen kann. So können Corona-
Infektionsketten schnell erkannt und durchbrochen werden. Deshalb meine Bitte: laden
Sie die App auf Ihr Smartphone und helfen Sie mit. Mit ein paar schnellen Klicks kann
jeder von uns seinen Beitrag zur Eindämmung des Virus leisten!“