Als Bundesliga-Experte hat der in der Göttinger Fußballregion bestens bekannte und geschätzte Bruno Kassenbrock in der Vergangenheit schon mehrfach seinen Sachverstand unter Beweis gestellt. In den Tagen der Euro 2016 wird er, gewohnt pointiert, emotional und fachlich fundiert, die Ereignisse des Fußballfestes kommentieren und so zusätzliche Grundlagen für viele Diskussionen unter den Fußballfreunden bieten. Wir wünschen allen Lesern viel Freude bei Brunos Gedanken zur Europameisterschaft 2016!

Dienstag, 12. Juli

Das war sie also. Die Euro 2016 ist zu Ende.
Portugal ist Europameister. Für alle überraschend und für viele unverdient, was ich ein wenig ungerecht finde.
„Wer hätte es denn verdient gehabt?“, wäre meine Gegenfrage?
England und Spanien, die auch von mir vorher stärker eingeschätzt wurden, enttäuschen im Endeffekt auf ganzer Linie.
Da gibt es hoffentlich keine zwei Meinungen.
Die Geheimfavoriten aus Belgien und Kroatien spielten zwar zum Teil ansehnlichen Fußball, wenn es drauf ankam, waren sie aber nicht zwingend genug und schieden verdient aus.
Österreich hatte sich auch viel vorgenommen, dabei blieb es am Ende. Genauso bei der Schweiz, Ungarn und Polen, die genau wie Portugal, von dem neuen Turniermodus profitierten.
Wales und Island waren zwar sympathisch, aber auch hier war das Turnierende im Viertel- bzw. Halbfinale absehbar und nicht überraschend.
Blieben noch Frankreich, Deutschland und? Ja, Portugal!
Hat Frankreich es verdient die Europameisterschaft im eigenen Land zu gewinnen?
Gegen Rumänien und Albanien waren sie, natürlich, besser und gewannen verdient. Allerdings war es auch ein bisschen glücklich. Die Tore zum Sieg fielen erst kurz vor Schluss, bzw. in der Nachspielzeit.
Gegen die Schweiz ging es dann um Nichts und man spielte 0:0, ohne zu überzeugen.
Irland und Island waren dann zwei Gegner, die man als Fußballnation schlagen muss. Gegen die Iren lag man früh zurück, kam aber, wegen einer immensen Leistungssteigerung in der zweiten Halbzeit und einem Griezmann in Topform zurück ins Turnier. Island war das Märchen des Turniers. Ein 4:0 zur Halbzeit holte sie in die Wirklichkeit zurück. Hier hatte man erstmals das Gefühl, das Frankreich ein echter Titelanwärter sein könnte.
Über Deutschland habe ich in letzter Zeit eigentlich alles gesagt.
Nochmal die Kurzform:
– Leistung war okay
– Einschätzung in der Öffentlichkeit und vom Team/Trainer selbst desaströs
– Halbfinalaus verdient
– Qualitätssteigerung in Zukunft notwendig
– bitte endlich eigenen Stil entwickeln…
Somit blieb nur noch Portugal übrig.
Die Remiskönige.
Hart kritisiert von allen Seiten. Warum eigentlich?
Man hatte in den K.O. Runden oft das Gefühl, dass in der Verlängerung keine Mannschaft auf Sieg spielte. Außer? Ja, außer Portugal.
Es ist Fakt, dass sie die einzige Mannschaft im Turnier sind, die zwei Verlängerungen (Kroatien und Frankreich) für sich entscheiden konnten.
Obwohl sie alle Elfer gegen Polen sicher verwandelten. Von wegen Sicherheitsdenken. Das war alles so gewollt.
Portugal war super eingestellt und tat das Nötigste, um den jeweiligen Gegner zu beherrschen.
In der Gruppe waren sie gegen Island (1:1) die klar bessere Mannschaft und Österreich hätte man auch geschlagen, wenn Ronaldo nicht mal einen von hundert Elfmetern nicht verwandelt hätte. Beim 3:3 gegen Ungarn sahen wir das ansehnlichste Spiel des Turniers. Vielleicht nicht taktisch, dafür aber emotional. Beide schenkten sich nichts. Danke.
Im Achtelfinale war Portugal dann echt der Außenseiter. Kroatien hatte bis dahin überzeugt und Spanien geschlagen. Am Ende traf Quaresma in der Verlängerung, vielleicht etwas glücklich, aber sicher nicht unverdient.
Der Sieg im Viertelfinale gegen Polen war der wohl glücklichste. Elfmeterschießen ist eben oft eine Nervensache. Alle Portugiese trafen. Nerven hatten sie also auch.
Gegen die überraschend starken Waliser im Halbfinale gab es dann den einzigen 90-Minuten-Sieg. Portugal stand sehr sicher, ließ wenig zu und war durch Ronaldo und seine Nebenleute immer gefährlich. Verdient also.
Und das Finale?
Ich weiß nicht, aber vielleicht bin ich der Falsche, der hier schreibt.
Viele meiner Freunde und auch Experten wie Mehmet Scholl, Steffen Simon (ZDF-Sportchef) und andere Journalisten konnten einen Glückwunsch an Portugal kaum über die Lippen bringen. So schlecht wurden sie geredet.
Ich fand ehrlich gesagt nicht, dass Frankreich in den ersten 90 Minuten viel besser war. Natürlich hatten Griezmann per Kopf und Gignac kurz vor Schluss große Chancen, allerdings hatten auch die Portugiesen immer wieder gefährliche Angriff im p
etto. João Mario fand ich beispielsweise überragend. Es war sicherlich sein bestes Spiel bei diesem Turnier. Ronaldos Fehlen war sichtbar, aber nicht unbedingt bemerkbar. 

Spätestens mit der Einwechselung von Eder und in der Verlängerung war Portugal die bessere Mannschaft.
Das Tor war die Krönung eines tollen Turniers.
Remis hin. Ronaldo her.
Portugal hat dieses Turnier verdient gewonnen, weil keiner sie schlagen konnte…

Der komplette Spielplan der Euro

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